Besuch eines Tempels der Glaubensgemeinschaft Santería in Trinidad

In Trinidad besuchen wir den Tempel der Santería – Casa Templo de Santería Yemayá. Man betritt von der Strasse her eine grosse Vorhalle und traut sich nicht weiterzugehen, denn der kleine Tempel entpuppt sich als ein gedeckter Raum, der in einen Innenhof eines Privathauses führt. Im Innenhof gibt es freilaufende Hühner und Hunde und um die Ecke ist eine grosse Familie am Mittagessen. Da schon andere neugierige Touristen sich vorgewagt haben, gehen wir auch näher zum Altar und zu einer Ansammlung von Gegenständen, die an eine kleine spontane Ausstellung zum Thema Meer erinnert und schauen uns die Suppentöpfe in der Vitrine an. Suppentöpfe? Eigenartig.

Die Sklaven, die im 18. und 19. Jahrhundert nach Kuba für den Tabakpflanzenanbau gebracht wurden, wollte man christianisieren. Sie haben eine Art neue Religion aus der Vermischung von christlichen Elementen und ihrem ursprünglichen Glauben an die Götter entwickelt. Es erinnert mich stark an Mexiko, wo auch eine Vereinigung aus der indigenen Götterkultur und dem Katholizismus stattgefunden hat.

Die wichtigste Göttin hier im Tempel ist die des Meeres, was man beim Betrachten der Gegenstände schnell erkennen kann. Die Gläubigen stellen Gläser gefüllt mit Wasser auf den Altar und sammeln alles, was mit dem Meer zu tun hat. Anker, Schiffe, Wasserpflanzen und vieles mehr.

Oscar, der Besitzer unserer Bleibe in Trinidad gehört neu zu dieser Glaubensgemeinschaft. Es ist uns längst aufgefallen, dass er sich sehr besonderes anzieht. Immer ist er in Weiss gekleidet, trägt eine kleine weisse Kopfbedeckung und um seinen Hals hängen farbige Perlenketten. Er reicht uns zur Begrüssung seine Hand nicht, Faust auf Faust, so gewöhnen wir uns ans neue Ritual mit ihm. Warum? Weil er drei Jahre in Reinheit leben muss, was für ihn bedeutet, dass er sich weiss kleidet, keinen Alkohol trinkt und keinen Körperkontakt haben darf. Er verrät uns, dass er auch seine Frau in dieser Zeit nicht berühren darf.

Er zeigt mir den Altar und seine Ansammlung von verschiedenen Gegenständen, die er in der Ecke seiner Stube eingerichtet hat. Auffällig sind die unappetitlichen vertrockneten Desserts auf kleinen Tellerchen, die überall aufgestellt worden sind. Er erklärt mir, dass dies Opfergaben seien, die er den Gottheiten hinstellt. Ein grosses Kreuz darf nicht fehlen, denn auch Jesus spielt eine wichtige Rolle in dieser Religion. Auf zwei Regalen stehen zugedeckte Suppenschüsseln, die die verschiedenen Gottheiten versinnbildlichen. Darin hat er kleine Symbole versteckt, die nur für ihn sinngebend sind. Er ist auf dem Weg, ein guter Mensch zu werden. Die Götter, die für verschiedene Themen wie die Liebe, das Glück, die Gesundheit, die Weisheit, die Kraft, das Arbeiten und so weiter verantwortlich sind, helfen ihm dabei. Jeder Gottheit wurden eine bis zwei Farben zugeteilt: Das ist der Grund für die Glasperlenketten, mit denen er sich schmückt, er erinnert sich so immer an die Kraft der Götter.

Ela erzählt uns später, dass diese Glaubensgemeinschaft nicht nur Süssigkeiten opfert sondern auch Hühner tötet und sie in einem Park in Havanna dann dem Flussgott übergeben. Ein paar Meter weiter unten im Flusslauf werden diese Hühner von Nicht- oder Andersgläubigen herausgefischt, gerupft und gebraten.